Development Center für Gründer – eine Veröffentlichung von Dajana Langhof
Der folgende Beitrag von Dajana Langhof erschien in: Methoden und Qualität in Gründungslehre, Gründungscoaching und Gründungsberatung (Hrsg. Klaus-Dieter Müller und Christoph Dienstberg). Das Gesamtwerk: „Design für ein Development Center für Gründer – Eignungsdiagnostische Verfahren zur Beurteilung individueller Gründerpotenziale“ erschien im Januar 2015 beim GRIN Verlag.
Einleitung
Die Entwicklung eines Trainingskonzepts für Gründer, das die Beurteilung individueller Gründerpotenziale ermöglicht, war das Ziel, das ich 2009 im Rahmen meiner Diplomarbeit am Lehrstuhl für Innovationsmanagement und Entrepreneurship der Universität Potsdam verfolgt habe. Hintergrund ist die in der Bundesrepublik Deutschland durch Fördermittel finanzierte Gründungsunterstützung für Menschen auf dem Weg in die Selbstständigkeit. Das von mir entwickelte Konzept – Development Center für Gründer – ist seit 2010 ein Element des BIEM Startup Navigators. Bereits seit 2009 wende ich es bei den regionalen Lotsendiensten im Land Brandenburg an. Immer mehr Menschen sehen in der Selbstständigkeit die größte Chance zur Selbstverwirklichung oder den einzigen Weg, ihrer Arbeitslosigkeit zu entkommen. Doch „[w]ie ist es zu schaffen, gewöhnliche Menschen – weil wir letztlich nie genug Talente haben werden – zu befähigen, außergewöhnliche Leistungen zu erbringen?“ (Malik 2006). Traditionelle Anforderungsprofile für Gründer verlangen von Selbstständigen, Alleskönner zu sein. In unserer heutigen arbeitsteiligen Welt hingegen heißt Selbstständigkeit nicht mehr, ständig alles selbst zu tun.
In diesem Beitrag möchte ich insbesondere auf die gesellschaftliche Relevanz von Gründungen eingehen, darauf, dass Unternehmertum erlernbar ist und auf die Frage, warum eine systemische Perspektive bei dieser Thematik angewendet werden soll. Auf diese Basis wurde die Entwicklung eines Konzepts für ein Development Center als Weiterentwicklung des Assessment Centers gestützt.
Entwicklung statt Auswahl
Die gesellschaftliche Relevanz von Gründungen, die Relevanz einer systemischen Perspektive sowie die Möglichkeit, Unternehmertum zu erlernen, führen zur Ausgestaltung eines Development Centers.
Gesellschaftliche Relevanz von Gründungen
Eine starre Organisation der Arbeit behindert die Entwicklung der Persönlichkeit, weshalb Arbeit und Selbsterfüllung zunehmend als Gegensatz aufgefasst werden. In Zukunft wird von den Menschen ein spannungsreiches Persönlichkeitsprofil gefordert. Der Wandel in der Arbeitswelt und der Lebensführung bringt Erwerbstätige als Arbeitsgestalter hervor: Die Persönlichkeit wird zur beruflichen Ressource und umgekehrt findet eine Professionalisierung der Persönlichkeit statt. Individuelle Ziele, Bedürfnisse und Motivation rücken in den Vordergrund. Der Drang nach Erfahrung, Entfaltung und Gestaltung führt zum ökonomisch erfolgreichen kreativen Gründer. Dieser erlebt Arbeit als lustvoll, weil sie für ihn Hobby und Freizeit zugleich ist. Gründer sind lieber „kleine Herren als große Knechte“.
Zur Relevanz einer systemischen Perspektive
„Ziel ist es nicht, Ursachen für Probleme zu finden, sondern Ziele und Lösungen in der Zukunft zu erreichen“ (Radatz 2006). Im Alltag begegnet jeder Mensch durch Zugehörigkeit oder Ausgeschlossenheit unterschiedlichen Systemen, z. B. Familiensystemen, Vereinssystemen, Clubsystemen, Unternehmens- oder Abteilungssystemen. Menschen entwickeln sich im System. Sie sind nicht immer die gleichen und verwirklichen sich auch nicht immer in ein und dieselbe Richtung. Der Wechsel in ein neues System in Verbindung mit einem Rollen-, Funktions- oder Aufgabenwechsel erklärt Verhaltensänderungen. Personen verhalten sich zur gleichen Zeit in unterschiedlichen Systemen differenziert. Im Beruf, aber auch im Privatleben, setzt erfolgreiches Handeln voraus, sich verschiedener, teilweise widersprüchlicher Rollenerwartungen bewusst zu sein, diese flexibel anzunehmen oder sich bewusst davon abzugrenzen, um die eigene Person und Zielsetzung nicht zu vergessen.
Unternehmertum lernen
In jedem Menschen ist Lebensenergie verborgen, Energie als ein Maß von Aktivität und Veränderung. Schumpeter definiert unternehmerische Energie als Lebensenergie, die entwickelbar ist. Durch die Kultivierung dieser Energie, die als Potenzial in jedem steckt, kann sich der Mensch selbst als Unternehmer erzeugen.
In meiner Arbeit bin ich der Grundannahme Röpkes gefolgt, der behauptet, dass jeder Mensch „eine positive Veränderungsfähigkeit“, also eine „potenzielle Fähigkeit zur Selbstevolution“ als Ressource in sich trägt. Ferner ist die Entfaltung der eigenen Potenziale bewusstseinsgesteuert, und dieses Bewusstsein lässt sich nur selbst entwickeln.
Unternehmerisches Handeln beinhaltet mehr als das Vorhandensein von Fachwissen sowie spezifischen Methoden und Techniken. Unternehmertum und Selbstständigkeit sind vor allem eine Sache der Einstellung und des Verhaltens. Nicht nur von der bisherigen, sondern auch von der zukünftigen Persönlichkeitsentwicklung eines Gründers hängt ab, ob sich unternehmerische Denk- und Handlungsweisen noch aufbauen lassen.
Development Center
Die Erkenntnisse der Auseinandersetzung mit der Systemtheorie, insbesondere mit dem Verhalten von „Menschen in sozialen Systemen“, unterstützen meine Meinung, dass die Beurteilung von Gründerpotenzialen in Form eines Development Centers erfolgen soll. Bisher werden dazu klassische Assessment Center verwendet, die der Einschätzung aktueller Kompetenzen oder der Prognose künftiger beruflicher Entwicklungen dienen.
Eine innovative Weiterentwicklung des Assessment Centers, in der nicht die Beurteilung, sondern vielmehr die Entwicklung der Person im Fokus steht, ist das Development Center, in dem die Teilnehmer typische AC-Übungen absolvieren, um ein intensives Feedback zu erhalten. Das Development Center kann daher als intensive Trainingsmaßnahme mit AC-Elementen betrachtet werden. Deutliche Abgrenzungsmerkmale zum AC sind teilnehmende statt neutral-distanzierte Beobachter, die Konzentration auf entwickelbare Dimensionen (z. B. Kommunikation statt Grundintelligenz) sowie ein inszeniertes Lernen und Feedback innerhalb des Verfahrens. Der Mehrnutzen für die Teilnehmer ist das Lernen wichtiger Anforderungen, das Wissen über ihre Fremdwirkung, das Aufzeigen erster Veränderungen während der Veranstaltung, die Lernzielsetzung und -verfolgung im Anschluss an das DC sowie erkennbare Verhaltensänderungen im Alltag.

Abbildung 1
Das in Abbildung 1 visualisierte Johari-Fenster verdeutlicht, wie sich durch Feedback das eigene
Selbstbild mit der Wahrnehmung anderer vergleichen lässt. Bewusste und unbewusste Persönlichkeits- und Verhaltensmerkmale zwischen einer Person und einer anderen Person bzw. einer Gruppe werden durch Feedback-Übungen aufgezeigt. „Feedback ist eine Rückmeldung an eine Person über deren Verhalten und wie dieses von anderen wahrgenommen, verstanden und erlebt wird. Solche Rückmeldungen finden im Kontakt mit anderen ständig statt, bewusst oder unbewusst, spontan oder erbeten, in Worten oder körpersprachlich.“ (Achouri 2009, 6f.)
Öffentlich sind die Anteile der Persönlichkeit, die einem selbst und auch anderen bekannt sind, weil sie nach außen getragen werden. Beziehungen hingegen werden ganz wesentlich von nicht-öffentlichen Bereichen bestimmt. Was der Betroffene von sich weiß oder kennt, aber anderen gegenüber nicht zugänglich macht oder aktiv vor ihnen verbirgt, ist geheim. Alles, was weder dem Betroffenen noch Dritten bekannt ist, ist unbekannt. Das Johari-Fenster illustriert insbesondere den so genannten „Blinden Fleck“ im Selbstbild eines Menschen, also alles, wovon der Betroffene selbst keine Ahnung hat, worum Dritte jedoch sehr wohl wissen. Das Ziel beim Lernen in der Gruppe ist, den Bereich der öffentlichen Person größer und alle anderen Bereiche kleiner werden zu lassen, indem der gemeinsame Handlungsspielraum transparenter und weiter gestaltet wird.
Schlussfolgerungen
In meinem Konzept „Development Center für Gründer“ finden systemisches Denken und Handeln sowie wichtige Erfolgsfaktoren für Gründungen Berücksichtigung. Durch die Teilnahme an einem Development Center erhalten Gründungsinteressierte die Möglichkeit, ihr Ideenkonzept und ihre Person zu reflektieren und weiter zu entwickeln. Konkret geht es um die gezielte Herausarbeitung des eigenen Angebots, der Zielgruppe, des Kundennutzens und eines Alleinstellungsmerkmals. Darüber hinaus ist die Auseinandersetzung mit der eigenen Persönlichkeit, insbesondere das Bewusstmachen der eigenen Stärken sowie deren gezielter Einsatz im Kontext der geplanten Selbstständigkeit, unabdingbar. Nicht zu vernachlässigen ist der Ausblick auf die Wirtschaftlichkeit der Geschäftsidee – eine erste Rentabilitätsvorschau. Schließlich soll mit einer Selbstständigkeit auch immer die Deckung der privaten Lebenshaltungskosten ermöglicht werden.
Somit ist ein Development Center (z. B. viertägig) eine wichtige Voraussetzung für das Schreiben eines Businessplans und kann sogar (z. B. 10-tägig) für die gesamte Businessplanentwicklung eingesetzt werden.
Dajana Langhof verantwortet im Coaching Institut Berlin das Geschäftsfeld der strategischen Unternehmensentwicklung. Sie begleitete seit 2006 bereits mehr als 250 Unternehmer vor, während und nach der Gründung. Das im Rahmen ihrer Diplomarbeit: „Eignungsdiagnostische Verfahren aus systemischen Perspektive zur Beurteilung individueller Gründerpotenziale – Design für ein Development Center“ entwickelte Konzept wurde zunächst an den Brandenburger Hochschulen zum Einsatz gebracht und wird ab 2015 zur Pflicht bei allen mit der Gründungsfördeurng beauftragten regionalen Wirtschaftsförderungsgesellschaften und Lotsendiensten im Land Brandenburg.